Fachzeitschrift G&H
Nut macht erfinderisch
Pioniergeist mit Folgen für das Elektrohandwerk
Klein Ilsede, das ist sicherlich nicht der Nabel der Welt und auch nicht jener Deutschlands. Die kleine niedersächsische Gemeinde in der Nähe der Kreisstadt Peine machte in diesem Jahr allerdings Schlagzeilen. Im trüben Konjunkturnebel Deutschlands leuchtete im Frühjahr ein Stern am Horizont, der zumindest für das Elektrohandwerk auch wegweisende Funktion haben könnte.
Der 50jährige Elektromeister Peter Brandes scheint nach gut 20 Jahren selbständiger Tätigkeit, in denen er alle Hochs und Tiefs durchgemacht hat, an einem Wendepunkt angelangt zu sein; mit der Chance, sich vom Elektro- zum kleinen Industrieunternehmen zu entwickeln.
Initialzündung waren Renovierungsarbeiten in einem Zehnfamilien-Altbau vor gut einem Jahr. Nachdem das Neubaugeschäft immer weiter zurückgeht (s. auch „Zusammenarbeit über Gewerke hinaus!“ in dieser Ausgabe), hat Brandes schon frühzeitig die Weichen in Richtung Renovierung und Sanierung gestellt. Es war im Frühjahr 2003 als er gerade wieder einen jener Aufträge zu erfüllen hatte. Kilometerweit galt es Nuten zu fräsen und stundenlang waren im Anschluß daran die Leitungen zu fixieren: Leitung einlegen, halten, Hammer raus, Schelle drauf und Nagel rein; Routinetätigkeiten, die wenig Freude bereiten und für hochqualifizierte Monteure aus betriebswirtschaftlicher Sicht ungeeignet sind. Für einen Meister stellen sie fast schon eine Demütigung dar. Neben diesem Ärgernis kam für Peter Brandes hinzu, daß es oft gar nicht möglich war, einen Nagel einzuschlagen und wenn es dann doch gelang, hielt derselbe nicht. Ja selbst wenn alles reibungslos verlief, dann gab es manchmal noch Probleme für den Verputzer, weil hier und da etwas vom Befestigungssystem hervorschaute. Schon lange wünschte sich Peter Brandes ein System, das es erlaubte, die Leitungen ohne aufwendiges Hämmern in die Wand zu bringen. Das gab es aber nicht.
Von einer „bissigen Idee“ zum Patent
Und da ihm niemand helfen konnte, half er sich selbst. Als die Idee gereift war, stand nach ersten Skizzen die mögliche Lösung fest. Eine kleine Kunststoffschelle in der Form des griechischen Buchstabens Omega ist das „Corpus delicti“, genauer jene kleine, elastische Schelle, die sich in der Mauernut festbeißt (s. Bilder). Nach mehreren Versuchen und Prototypen sowie 50.000 Euro Investitionen stand der Markteinführung nichts mehr im Wege. Wesentliche Unterstützung erhielt Brandes vom Erfinderzentrum in Hannover.
Rund 17 Monate dauerte es bis zur Realisierung des Patents. Dann fiel der Startschuß für den Produktionsbeginn Zurzeit arbeitet der Unternehmer mit einem Einbecker Kunststoffverarbeiter zusammen. Versand und Verpackung erfolgen noch aus dem kleinen Betrieb vor Ort. Unterstützt wird er von seiner Lebensgefährtin, dem Sohn und einem Freund der Familie.
Ungewöhnlich war der rasche Erfolg, den der Erfinder mit seiner Mauerschelle verzeichnen konnte. Dauert solch eine Markteinführung oft mehrere Jahre, konnte Brandes schon nach sechs Monaten einen ausgesprochen hohen Bekanntheitsgrad verzeichnen. Unmittelbar nach Veröffentlichung des Patents meldeten sich die Großen der Branche bei ihm, um seine Erfindung zu übernehmen. Dafür war der agile Elektromeister aber überhaupt nicht zu begeistern. Und als man ihm auch noch prognostizierte, daß er die Markteinführung allein nicht schaffen werde, keimte sein Ehrgeiz erst recht. Internetauftritt, Direkt-Mail, persönliche Gespräche und Präsentationen beim und mit dem Elektrogroßhandel sowie der Versand von Mustern und eine intensive Pressearbeit, haben dem Unternehmen eine hohe Publizität und der Mauernutschelle eine weite Verbreitung beschert.
Die Muster für größere Kunden gehen stets mit einem gefrästen Stein heraus, in dem eine Leitung mit Mauernutschelle verlegt ist. „Das ist für uns das beste Werbemittel. Der Kunde muß es selbst einmal ausprobiert haben, dann ist er sofort von meiner Idee überzeugt“, erklärt er gegenüber der G&H-Redaktion.
Als die ersten Großaufträge kamen, saß man im Hause Brandes oft nächtelang und füllte auf der eigenen „Abfüllanlage“ (ebenfalls eine Eigenentwicklung) die Versandbeutel á 100 Stück ab. Auf Dauer wird vermutlich eine eigene Produktionsstätte ebenso nötig sein wie ein professioneller Versand.
Jetzt steht das Europapatent bevor und Peter Brandes sowie seinen Kollegen eine „nagellose Zukunft“ bei der Leitungsverlegung. Auf die Frage, ob er an eine Ausweitung der bislang auf ein Produkt beschränkten Aktivitäten denke, gibt er selbstbewußt mit einem Lächeln zu verstehen, daß er bereits weitere Erfindungen in der Schublade habe. Eine davon werde die Bedeutung der Mauernutschelle noch weit übertreffen.
Der Vertrieb des Produktes erfolgt über den Elektrogroßhandel. Lediglich Probepackungen können über den eigenen Online-Shop geordert werden.
Fazit:
Der Erfindergeist von Peter Brandes trägt Früchte. Hersteller von Mauernutfräsen suchen das Gespräch mit ihm und die Resonanz aus dem Kreis seiner Kollegen ist ausnahmslos positiv. Seine Mauernutschelle ist mittlerweile nicht nur bei fast allen namhaften Großhändlern gelistet, er belegte am 11. November beim Innovationspreis des Niedersächsischen Handwerks 2004 den 2. Platz. Eine kleine Erfindung mit großer Wirkung, die schon mittelfristig neue Arbeitsplätze schaffen könnte.
(Quelle: G&H 11/04)